Wie VW den Bulli neu erfand: Der T4 vor 25 Jahren – Motor vorn, mehr Platz und ein Fahrgefühl wie ein Pkw!
Als der Volkswagen Transporter T4 1990 auf den Markt kam, war das nicht nur ein neues Modell in der Produktpalette – es war eine strategische Neuausrichtung, die die Bauweise des Bulli für Jahrzehnte verändern sollte. Aus Sicht eines Münchner Autonarren ist dieses Kapitel spannend: VW verabschiedete sich vom Heckmotor‑Konzept der vorherigen Generationen und setzte erstmals auf Frontantrieb. Das hatte weitreichende Konsequenzen für Raumangebot, Fahrverhalten und die Nutzbarkeit der Baureihe.
Der technische Schnitt: Motor nach vorn
Mit dem T4 endete die Ära der luftgekühlten Boxermotoren, die die T1–T3 so charakteristisch machten. VW investierte massiv in die Neuentwicklung – über zwei Milliarden Deutsche Mark flossen in die Entwicklung. Der Wechsel auf Vorderradantrieb und Reihenvierzylinder bzw. -fünfzylinder erlaubte eine völlig neue Fahrzeugarchitektur: längere Radstände, Material‑ und Packaging‑Optimierungen und ein niedrigerer Laderaumboden, der Nutzern sofort auffiel.
Mehr Platz, besserer Komfort
Der offensichtlichste Nutzen des neuen Layouts war der Raumgewinn. Ohne Motor im Heck ließen sich der Innenraum und die Ladefläche deutlich effizienter nutzen. Für Reisemobile, Caravelle‑Varianten und den Multivan bedeutete das: flexiblere Innenkonzepte, ausklappbare Tische, drehbare Vordersitze und modulare Sitzanordnungen. Für Familien und Gewerbetreibende war das eine sehr spürbare Verbesserung.
Fahrdynamik und Sicherheit
Der T4 fühlte sich fahrdynamisch näher an einem Pkw an als seine Vorgänger. Der Frontantrieb verbesserte das Handling, gerade auf anspruchsvolleren Strecken. Zudem erlaubte das neue Crashdesign bessere Knautschzonen im Frontbereich, was die passive Sicherheit erhöhte. Auch ABS, Servolenkung und – später im Modellzyklus – Scheibenbremsen an allen Rädern trugen zur modernisierten Fahrdynamik bei.
Motorenpalette und Allrad: für jeden Einsatz etwas
Beim Marktstart bot VW drei Benzin‑ und zwei Dieseltriebwerke an, Leistungsbandbreite von rund 60 bis 110 PS. Besonders bemerkenswert: der inzwischen legendäre Fünfzylinder, der dem T4 charaktervollen Klang und ausreichend Durchzug verlieh. Ab 1993 wurde die Syncro‑Variante mit permanentem Allrad angeboten – ein wichtiger Zusatz für Nutzer, die das Fahrzeug auch abseits befestigter Straßen einsetzen wollten.
1995er Facelift: Modernisierung und Technikschub
Die Mitte der 90er brachte einen sichtbaren Evolutionsschritt. Die Front wurde „längeren“, die Optik modernisiert: weiße Blinkleuchten bei bestimmten Versionen, ein „Happy Face“‑Design an Multivan und Caravelle und aktualisierte Scheinwerfer. Technisch kam der 2.5‑Liter‑TDI mit Einspritzung – ein gewichtiges Update im Bereich der Dieselaggregate, das Standfestigkeit und Wirtschaftlichkeit verbesserte.
Der T4 als Reisemobil‑Basis
Der California profitierte enorm vom neuen Konzept: längerer Radstand, variabler Innenraum und tieferer Boden erleichterten den Ausbau zu vollwertigen Reisemobilen. Das Modell wurde damit für Camperfans interessant, die Wert auf Alltagstauglichkeit, Stauraum und eine fahrbare Komfortlösung legten.
Projektzwo‑Caravelle: Individualität und Fahrspaß
Bei unserer Gelegenheit, eine „Projektzwo“ Caravelle von 2000 zu fahren, fiel sofort das tiefergelegte Fahrwerk und das modifizierte Styling ins Auge. Unter der Haube ein fünfzylindriger Benziner mit 115 PS – kein Leistungswunder, aber genügend Antritt für den Reisekomfort. Das Fahrzeug fühlt sich solide an, die Sitzposition hoch, die Sicht gut, und der typische Fünfzylinder‑Sound vermittelt ein nostalgisches Petrolhead‑Gefühl. Mehr als Sport ist hier aber Reisekomfort gefragt: das Gewicht von fast 1,9 Tonnen verlangt ruhige Fahrweise, und die Beschleunigungswerte sind dem Einsatzzweck angemessen.
Nutzwert versus Tempo
Die Spezifikation der Caravelle „Projektzwo“ zeigt die Ausrichtung: sieben Sitze, reichliche Ausstattung und ein klarer Fokus auf Reisen statt auf Sportlichkeit. Verbrauchswerte lagen damals bei rund 12,6 l/100 km – heute ein harter Vergleich, damals ein übliches Maß für einen solchen Transporter mit Benzinmotor. Die Höchstgeschwindigkeit um die 160 km/h war praxisgerecht, das 0–100 km/h‑Tempo jedoch kein Kriterium für Begeisterungsstürme.
Warum der T4 bis heute relevant ist
Der T4 hat Pionierarbeit für die moderne Van‑Konzeption geleistet: Mehr Platz, erhöhte Sicherheit, bessere Fahrdynamik und hohe Variabilität. Diese Aspekte prägen heute noch die Anforderungen an Transporter und Familienvans. Zudem entstand mit dem T4 eine Vielfalt an Modellen – vom reinen Transporter bis zum luxuriösen Multivan – die VW wirtschaftlich stark machte und eine breite Kundenschicht ansprach.
Fazit technischer Beobachtungen (ohne Schlusswort)
Aus heutiger Perspektive zeigt der T4, wie ein radikaler technischer Schnitt ein Modelljahrzehnt prägen kann. Für die Nutzer der Zeit ging es um Praktikabilität und Vielseitigkeit, für VW um wirtschaftliche Erneuerung und Zukunftsfähigkeit. Wer heute einen T4 fährt oder restauriert, erlebt ein Stück Mobilitätsgeschichte: robust, geradlinig und mit einem gewissen Charme, der den Wandel von Nutzfahrzeug zu vielseitigem Alltagsbegleiter illustriert.
