Mit der Übergabe des letzten Exemplars der Bugatti Bolide in Molsheim geht eine Ära zu Ende: Der legendäre W16‑Motor verlässt die Bühne. Für Technik‑Enthusiasten und Sammler ist das ein Moment von historischer Bedeutung. Als Beobachter aus München habe ich mir die technischen und markenstrategischen Hintergründe dieses Einschnitts angesehen und was der Abschied vom 8,0‑Liter‑W16 für Bugatti und die Szene der Hypercars bedeutet.
Der W16: zwei Jahrzehnte technischer Extreme
Der W16 mit vier Turboladern war nicht nur ein Antrieb — er war das Markenzeichen einer Epoche. Mit bis zu 1.850 PS in der Bolide‑Ausführung setzte dieser Acht‑Liter‑Sechzehnzylinder Maßstäbe in Sachen Leistung, Ingenuity und akustischer Signatur. Technisch erforderte der Motor eine enorme Komplexität: aufwendige Ansaug‑ und Abgasführung, massives Thermomanagement und eine Motoraufhängung, die die enormen Drehmomente verkraftet. Solche Lösungen sind teuer in Entwicklung und Produktion, aber sie kreieren Legenden — und genau das war Bugattis Ziel.
Warum jetzt die Abkehr vom W16?
Es gibt mehrere Gründe für den Wechsel: Kosten, Nachhaltigkeit und Perspektive. Die Herstellung und Wartung eines W16 sind extrem aufwendig. Gleichzeitig verändert sich der Markt — Emissionsvorgaben, CO₂‑Bilanzen, aber auch das Kundeninteresse an alternativen Konzepten zwingen Hersteller zum Umdenken. Ein V16‑Saugmotor in Kooperation mit Cosworth, wie von Bugatti angekündigt, verspricht eine andere Balance: weniger Komplexität bei potenziell attraktiver Leistungscharakteristik und einem „analogen“ Fahrerlebnis, das Sammler schätzen.
Die letzte Bolide: Sammlerstück und Statement
Das letzte Bolide‑Exemplar ist an einen ausgesuchten Sammler gegangen, der bereits eine Type 35 und eine Veyron Grand Sport Final besitzt — ein Zeichen, dass diese Fahrzeuge eher in Museen und exklusiven Garagen als auf Alltagsstraßen gehören. Optisch wurde das Fahrzeug in einer speziellen Kombination aus „Nero Blue“ und „Blu Speciale Lyonnais“ lackiert, das Interieur in Alcantara‑Tönen gehalten — klassische Individualisierung, die den Sammlercharakter betont. Marktanalysten schätzen den Wert eines solchen Exemplars konservativ bei mindestens vier Millionen Euro, reale Preise liegen mit Optionen und Historie deutlich höher.
Mistral, Program Solitaire und Lanzante: Umgang mit dem Erbe
Bugatti plant, den W16 nicht sofort zu entsorgen: Die Roadster‑Serie Mistral bleibt mit 99 Einheiten als letzte Hommage erhalten. Parallel hat Bugatti das Programm „Solitaire“ aufgesetzt, um Besitzer mit Upgrades und Interpretationen am Leben des W16 teilhaben zu lassen — ein kluger Schachzug, um Werthaltigkeit und Liebhabermarkt zu stabilisieren.
Interessant ist auch die Rolle externer Spezialisten: Lanzante arbeitet an einer Straßenzulassungskonversion der Bolide. Solche Projekte zeigen die Nachfrage nach straßentauglichen Sonderversionen, stellen die Entwickler aber vor Kompromisse: Schalldämpfung, Anpassungen von Fahrwerk und Elektronik sowie gesetzliche Anforderungen reduzieren in der Regel die pure Performance gegenüber der reinen Rennversion.
Der neue Weg: V16‑Saugmotor von Cosworth
Der angekündigte V16 von Cosworth ist keine Rückkehr zur Vergangenheit, sondern ein Neuanfang mit anderen Parametern. Cosworth bringt viel Erfahrung in hochdrehenden, atmosphärischen Motoren mit — der Vorteil liegt in der lineareren Leistungsabgabe, dem unverfälschten Sound und einer potenziell leichteren Konstruktionsweise ohne aufwendige Turbotechnik. Dennoch bleibt die Herausforderung gewaltig: hohe Leistung bei akzeptabler Emission, Lebensdauer und das Markensignal, das Käufer von Bugatti erwarten.
Technische und emotionale Auswirkungen
Für Ingenieure bedeutet der Umstieg ein neues Set an Designprinzipien: andere Kühlkonzepte, neue Montagelogistiken und Anpassungen der Fahrzeugarchitektur. Für Enthusiasten verändert sich das emotionale Narrativ: Der W16 war ein technisches Monument, der neue V16 könnte dagegen einen „puristischeren“ Charakter vermitteln — weniger Überwältigung durch schiere Kubikzentimeter, mehr Fokus auf Fahrbarkeit und Klangfarbe.
Marktwert & Sammlerperspektive
Die Entscheidung, den W16 auszumustern, dürfte die verbleibenden Exemplare weiter im Wert steigen lassen. Seltene, letzte Einheiten eines ikonischen Aggregats sind in Sammlerkreisen besonders begehrt. Außerdem schafft Bugatti durch Programme wie Solitaire und Co‑Developments mit Spezialisten zusätzliche Optionen, die Werthaltigkeit ihrer Fahrzeuge zu stärken.
Was Fans und Käufer jetzt beachten sollten
Der Abschied vom W16 ist emotional und technisch bedeutsam. Bugatti tritt in eine neue Phase ein: Bewahrung des Erbes einerseits, Neuausrichtung auf andere technische Lösungen andererseits. Für die Szene bedeutet das: viel Gesprächsstoff, neue Sammlermotive und eine spannende technische Weiterentwicklung, die wir aus München mit großem Interesse verfolgen werden.
