Geburt einer Vision: Italdesign Aztec zum 20. Jubiläum
1988 wagte das Mailänder Designstudio Italdesign unter der Leitung von Giorgetto Giugiaro ein mutiges Experiment: Anlässlich des 20. Firmenjubiläums sollten drei völlig unterschiedliche Prototypen entstehen – die Aztec, die Aspid und die Asgard – auf derselben mechanischen Basis von Audi. Erst zehn Jahre später, auf dem Turiner Autosalon 1998, präsentierte Italdesign die Aztec der Öffentlichkeit und setzte damit ein Statement für Symmetrie, Innovation und Sportlichkeit.
Äußeres Design: Symbiose aus Retro-Chic und Futurismus
Die Aztec ist ein Roadster ohne Dach, der klassische Elemente der 50er- und 60er-Jahre mit avantgardistischen Details verbindet:
- Lange Motorhaube erinnert an historische Speedster, betont durch klare Linien und fließende Übergänge.
- Front ohne sichtbare Scheinwerfer – Pop-Up-Leuchten für minimale Luftwiderstandsbeiwerte und saubere Optik.
- Abrupte Kanten und weiche Flächen schaffen einen spannungsreichen Kontrast entlang der Seitenpartie.
- Versteckte Radhäuser hinter verschiebbaren Car‐Body-Panelflächen, steuerbar über einen dreistelligen Code.
- Heck mit großem Carbon-Heckflügel zur Erzeugung von Abtrieb und zur Stabilisierung bei hohem Tempo.
Diese Kombination aus Nostalgie und High-Tech ließ die Aztec sofort als visuelles Highlight gelten und hob die italienische Designkunst auf ein neues Level.
Innovative Karosserietechnik: Verborgene Funktionen per Code
Hinter den seitlichen Verkleidungen verbargen sich praktische Elemente, die das Konzeptfahrzeug zu einer mobilen Werkstatt machten:
- Ölablasshahn – per Code aktivierte Öffnung für raschen Ölwechsel.
- Werkzeugfach mit Bordwerkzeug für einfache Reparaturen unterwegs.
- Niveauregulierung – Anhebung des Fahrwerks bei unebenem Gelände.
- Zusätzliche Storage-Fächer unter der Haube für technische Utensilien.
Insgesamt demonstrierte Italdesign so seine Fähigkeit, ein Fahrzeug modular und funktional zu gestalten, ohne das visuelle Gesamtkonzept zu stören.
Innenraum: Dual-Cockpit und frühzeitiges Infotainment
Ebenso revolutionär war die Innenausstattung: Wer die Aztec betrat, öffnete nicht nur eine Tür, sondern hob eine zweiteilige Dachschale mit Windabweiser:
- Zwei symmetrische Mini-Cockpits für Fahrer und Beifahrer, beide mit eigenem Lenkrad.
- Beifahrer-Lenkrad diente zur Bedienung eines primitiven Infotainmentsystems und einem frühen Navigationsmodul.
- Betonung der Symmetrie und gleichwertiger Bedienbarkeit für beide Insassen.
- Baquette-Sitze mit Rennsport-Anspruch und tiefem Fokus auf das Fahrerlebnis.
Obwohl das Beifahrer-Lenkrad nicht zur Lenkung diente, bot es einen Vorgeschmack auf heutige Touch-Interfaces und digitale Bedienkonzepte.
Mechanik und Fahrwerk: Audi-Herz im Roadster-Gewand
Die Aztec basierte auf erprobten Audi-Komponenten, die in ein leichtes Sportwagen-Chassis integriert wurden:
- 2,2-Liter-5-Zylinder-Turbo aus der Audi 200 Turbo, leistete in der Aztec 250 PS.
- Manuelles 5-Gang-Getriebe mit präziser Schaltung für direkten Fahrspaß.
- Quattro-Allradantrieb – erstmals in einem zivilen Concept Car, für optimale Traktion.
- Vier Scheibenbremsen von Serie, für standfestes Verzögern auch bei sportlicher Fahrweise.
Dank dieser Technik und eines geschätzten Gewichts von rund 1 200 kg versprach die Aztec dynamische Fahrleistungen trotz des fehlenden Daches.
Planung und Realität: Vom Traum zur Rarität
Italdesign plante ursprünglich eine Kleinserie von 50 Exemplaren. Doch der hohe Preis von 500 000 DM (umgerechnet ca. 260 000 € heute) schreckte Interessenten ab:
- Produktion reduziert auf nur 20 Fahrzeuge.
- Sammlerstatus – jedes Exemplar wurde Stück für Stück von Hand gefertigt.
- Wertzuwachs – durch die geringe Stückzahl stiegen die Marktpreise schnell über den ursprünglichen Listenpreis.
Heute gelten existierende Aztec-Modelle als hohe Rarität und erzielen bei Auktionen regelmäßig sechsstellige Beträge.
Kinoauftritte und popkulturelles Erbe
Die außergewöhnliche Optik brachte der Aztec auch Filmauftritte ein:
- “Frankenstein Unbound” (1990) von Roger Corman – als futuristische Studie im Hintergrund.
- Italienische Komödie “A spasso nel tempo” (1996) von Carlo Vanzina – als Traumwagen einer Zeitreise.
Diese Cameos verstärkten den Kultstatus und machten die Aztec zu einer Ikone der Concept-Car-Ära.
Fazit ohne Schluss: Ein Meilenstein des Automobildesigns
Die Italdesign Aztec vereinte Symmetrie, Technik und futuristische Ästhetik in einer Form, die auch heute noch begeistert. Als offenes Sportcoupé mit Doppel-Cockpit und kraftvollem Audi-5-Zylinder schreibt sie Designgeschichte und bleibt ein Wunschtraum vieler Automobilenthusiasten.