Vom Hoffnungsträger zur Randerscheinung: CNG-Fahrzeuge im Wandel
Noch vor wenigen Jahren galt Erdgas (CNG) als die umweltfreundliche und zugleich wirtschaftliche Alternative zu Benzin und Diesel. Hersteller wie Fiat, Volkswagen und Skoda setzten massiv auf Fahrzeuge mit bivalenter Motorisierung (Benzin/CNG) und versprachen ihren Kunden niedrige Betriebskosten und geringere CO₂-Emissionen. Doch heute präsentiert sich das Bild völlig anders: Die einst viel gepriesene CNG-Technologie verschwindet aus den Modellpaletten und aus der öffentlichen Wahrnehmung.
Explodierende Preise und Verlust des Kostenvorteils
Der Hauptgrund für den rapiden Absturz der CNG-Fahrzeuge liegt in der Preisentwicklung des Kraftstoffs:
- Oktober 2020: Durchschnittlich 0,98 €/kg CNG.
- Januar 2023: Spitzenwerte von über 2,07 €/kg.
- 2024–2025: eingependelt auf rund 1,40 €/kg.
Durch diese Preissprünge ist der einstige Vorteil, deutlich günstiger als Benzin und Diesel zu fahren, weitgehend aufgehoben. Für viele Verbraucher ergibt sich heute kaum noch ein wirtschaftlicher Anreiz, auf Erdgas umzusteigen oder ein bestehendes CNG-Fahrzeug zu betreiben.
Strategische Neuausrichtung der Automobilhersteller
Parallel zur Preisentwicklung verlagerten die großen Autohersteller ihre Entwicklungsbudgets und Produktionskapazitäten:
- Fiat, Volkswagen und Skoda reduzierten oder stoppten die Fertigung von CNG-Modellen zugunsten von Elektro- und Hybridfahrzeugen.
- Produktionslinien wurden umgebaut, Investitionen flossen vermehrt in Batterietechnologie und Brennstoffzellenentwicklung.
- Marketingkampagnen rückten Elektromobilität und Plug-in-Hybride in den Vordergrund, während CNG-Fahrzeuge kaum noch beworben wurden.
Diese Strategiewechsel wurden stark durch die strengeren EU-Grenzwerte für CO₂-Emissionen und entsprechende Förderprogramme beeinflusst. CNG geriet unter den Druck der Klimapolitik und verlor sukzessive an Bedeutung.
Schließung von Tankstellen: ein Teufelskreis
Ein weiterer Faktor, der den Niedergang beschleunigte, ist der Rückgang der CNG-Tankinfrastruktur:
- Viele ehemals betriebene Erdgastankstellen wurden aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben.
- Verbraucher nahmen die reduzierte Verfügbarkeit zum Anlass, auf konventionelle oder elektrische Antriebe umzusteigen.
- Sinkende Nachfrage führte zu weiteren Schließungen – ein Teufelskreis, der CNG zunehmend unattraktiv macht.
In ländlichen Regionen Bayerns und darüber hinaus berichten Nutzer von weiten Anfahrten zu den wenigen verbliebenen Stationen. Der zeitliche Aufwand für eine Betankung steht in keinem Verhältnis mehr zum Kostenvorteil.
GPL als vorübergehende Alternative
Im Gegensatz zu CNG zeigte sich Flüssiggas (LPG) widerstandsfähiger:
- GPL-Stationen sind noch häufiger vertreten, die Infrastruktur blieb stabiler.
- Die Umrüstungskosten für Fahrzeuge liegen mit 1.000–1.500 € meist deutlich unter denen für CNG.
- Der Preis für GPL schwankt weniger stark als bei CNG und bietet daher kalkulierbare Betriebskosten.
Allerdings wird auch GPL zunehmend von der Elektromobilität überrollt. Förderprogramme und Umweltprämien der Bundesregierung begünstigen stark rein batterieelektrische oder Hybridfahrzeuge.
Biomethan: Nische mit Zukunftspotenzial
Trotz des massiven Rückzugs im Privatkundenmarkt gibt es Hoffnungsschimmer im Schwerlastverkehr und in der Industrie:
- Biomethan aus landwirtschaftlichen Reststoffen und Abfällen gilt als klimaneutraler Brennstoff.
- Lkw-Flotten und Nutzfahrzeuge können mit reinem Biomethan betrieben werden, ohne auf lange Ladezeiten zu treffen.
- Die vorhandene CNG-Infrastruktur lässt sich mit geringem Aufwand für Biomethan nachrüsten.
In Bayern laufen bereits Pilotprojekte, bei denen Busse und Müllwagen auf Biomethan- Betrieb umgestellt wurden. Die Technologie bleibt jedoch in ihrer Produktionskapazität begrenzt und für den Privatsektor nur schwer skalierbar.
Lehren für künftige Mobilitätskonzepte
Der Fall Erdgas zeigt mehrere kritische Aspekte für die Verkehrswende:
- Infrastrukturbeständigkeit: Eine flächendeckende Tankstellendichte muss langfristig gesichert sein, um Verbraucher zu binden.
- Politische Weichenstellung: Fördermittel und CO₂-Grenzwerte lenken die Investitionen der Industrie und prägen das Nutzerverhalten.
- Technologieoffenheit: Ein Monokultur-Ansatz (nur Elektrofahrzeuge) kann spätere Innovationsfelder wie Bio-Kraftstoffe oder Wasserstoff abschneiden.
Die Automobilregion München darf solche Erkenntnisse nicht ignorieren: Es gilt, alle Antriebsalternativen pragmatisch zu betrachten und Infrastrukturentscheidungen langfristig an Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit auszurichten.
