In Victoria, Australien, wird derzeit ein ungewöhnlicher Kontrollanhänger auf den Straßen erprobt. Entwickelt von Verra Mobility, vereint das mobile System klassische Geschwindigkeitsmessung mit der automatischen Erfassung weiterer Verkehrsverstöße wie Handynutzung, Nichtanlegen des Sicherheitsgurts, Rotlichtfahrten und unerlaubtes Befahren von Busspuren. Die Pilotphase läuft seit rund einem Monat und endet am 19. September. Bis dahin dient das Gerät ausschließlich der Datenerhebung – Bußgelder werden noch nicht verhängt.
Unbemannter All-in-One-Kontrollanhänger im Test
Anders als feste Blitzer oder stationäre Rotlichtüberwachung kombiniert dieses neue System mehrere Kameratechnologien auf einem Anhänger, den Verra Mobility unabhängig von staatlichen Behörden betreibt. Genehmigt wurde das Projekt vom Department of Transport and Planning des Bundesstaates Victoria. Zwei Anhänger wurden auf wechselnden Streckenabschnitten rund um Melbourne installiert, um die “Point-to-Point”-Messung der Durchschnittsgeschwindigkeit zu testen. Damit sind örtlich begrenzte Geschwindigkeitskontrollen kaum noch zu umgehen.
Technische Merkmale und Detektionsfunktionen
- Geschwindigkeitsmessung: Berechnung der Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen zwei Messpunkten – vermeintliches Ausbremsen kurz vor der Kamera wird wirkungslos.
- ANPR-Kameras: Automatische Kennzeichenerkennung für die Zuordnung von Verstößen zu Fahrzeughaltern.
- Handynutzung: KI-gestützte Bilderkennung analysiert Kopf- und Handhaltung des Fahrers sowie Bildschirmreflexionen.
- Sicherheitsgurt: Thermische und optische Sensorik überprüft, ob der Fahrer angeschnallt ist.
- Rotlicht-Verstoß: Sensoren erkennen das Überfahren der Haltelinie nach Umschalten der Ampel.
- Busspur-Verstoß: Markierungserkennung weist Fahrzeuge in Busspuren automatisch aus.
Unterschätzter Überraschungseffekt
Da die Kontrollanhänger mobil und ohne markante Polizeibeschilderung unterwegs sind, entsteht ein hoher Überraschungswert. Fahrer wissen nicht, an welchem Streckenabschnitt oder zu welcher Tageszeit die Messungen stattfinden. Dieses “Unberechenbarkeitsprinzip” soll das Bewusstsein für durchgehende Regelkonformität stärken.
Datenverwaltung und Datenschutz
Obwohl Verra Mobility eine private Firma ist, wurden strikte Auflagen zur Datenhandhabung vereinbart. Die erfassten Bilder und Messdaten werden verschlüsselt an die Behörden übermittelt und nach Abschluss der Testphase gelöscht, falls die Technologie nicht weiterverwendet wird. Eine dauerhafte Speicherung oder Weitergabe an Dritte ohne behördliche Freigabe ist ausgeschlossen.
Rechtliche und regulatorische Hürden in Deutschland
In Deutschland müsste ein solches System erst zugelassen und homologiert werden. Aktuell verfügt der Gesetzgeber lediglich über Verfahren für stationäre Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlagen. Für alle anderen Vergehen – Telefonieren am Steuer oder Gurtmuffel – ist bislang die Anwesenheit eines Polizeibeamten erforderlich. Eine automatische Erkennung dieser Verstöße erfordert deshalb massive Änderungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Bußgeldvorschriften.
- Homologation: Jedes neue Messgerät muss durch das Kraftfahrt-Bundesamt geprüft werden.
- Polizeipräsenz: Nur wenige Ausnahmen erlauben momentan ein bußgeldloses Fotoverfahren ohne Beamten vor Ort.
- Datenschutz: Verschärfte DSGVO-Regeln stellen hohe Anforderungen an Speicherung und Löschung personenbezogener Daten.
Potenziale für Partnerschaften und Anwendungsfelder
Verra Mobility kooperierte in der Vergangenheit mit Redflex, die in zahlreichen Ländern bereits Geschwindigkeitsblitzer betreiben. Ein ähnliches Modell könnte auch in Europa Schule machen, wenn Städte und Länder ihre Verkehrssicherheit erhöhen wollen. Zukünftig ließen sich auch Kommunen als Betreiber einbinden, um lokale Hotspots stärker zu überwachen.
Ausblick für die Automobilbranche
Für Autofahrer wäre eine flächendeckende Einführung eine Herausforderung: Permanente Kontrolle könnte zu weniger Risikobereitschaft führen, aber auch klare Vorgaben im Alltag schaffen. Hersteller könnten dies bereits bei der Fahrzeugentwicklung berücksichtigen, indem sie Assistenzsysteme optimieren, die vor Handynutzung oder Nichtanlegen des Gurts warnen.
Während die australische Testphase in den kommenden Tagen endet, bleibt abzuwarten, ob Verra Mobility einen internationalen Rollout anstrebt. In Deutschland und Europa muss dazu jedoch erst der rechtliche Rahmen angepasst werden. Bis dahin bleibt das Projekt ein spannender Blick auf die Zukunft der Verkehrsüberwachung.