Hintergrund: Nexperia und die europäische Chipversorgung
Nexperia ist seit Langem ein wichtiger Akteur in der globalen Halbleiterproduktion, insbesondere für Mikroprozessoren und Leistungstransistoren. Das Unternehmen, das seit 2010 unter der Kontrolle des chinesischen Elektronikherstellers Wingtech Technology steht, beliefert zahlreiche Industriezweige – allen voran die Automobilzulieferer. Etwa 70 % der in Europa gefertigten Halbleiter werden für die Endmontage nach China exportiert, bevor sie als fertige Bauteile zurück nach Europa gelangen. Dieses komplexe Geflecht aus Fertigungsschritten macht die Versorgungsketten besonders anfällig für politische Eingriffe.
Die Entscheidung der Niederlande: Kontrolle aus Gründen der Sicherheit
Ende September hatte die Regierung in Den Haag die Kontrolle über Nexperia übernommen und damit vorübergehend den chinesischen Eigentümer entmachtet. Offiziell nannte man als Begründung Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit: Man befürchtete, dass China die Chip-Lieferungen an Europa einschränken könnte, um politischen Druck auszuüben. Als Reaktion stoppte Peking prompt den Export von wichtigen Halbleiterkomponenten aus den chinesischen Nexperia-Werken zu den europäischen Standorten.
EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič begrüßt die Rücknahme
Am 19. November meldete die Brüsseler Kommission die Rückgabe der Kontrolle über Nexperia an den chinesischen Mutterkonzern. EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič äußerte sich in einer ersten Stellungnahme zufrieden: „Ich begrüße diese Entscheidung der Niederlande sehr. Sie stellt einen wichtigen Schritt dar, um unsere strategischen Lieferketten für Halbleiter zu stabilisieren. Es bleibt jedoch unerlässlich, dass alle Partner in diesem Prozess konstruktiv zusammenarbeiten.“ Šefčovič betonte, dass eine langfristig verlässliche Versorgung nur durch enge Kooperation zwischen europäischen Regierungen und internationalen Zulieferern gewährleistet werden könne.
Reaktionen der Automobilbranche und der ACEA
Auch die Vereinigung Europäischer Automobilhersteller (ACEA) äußerte sich positiv, allerdings mit Vorbehalt. In einem Twitter-Beitrag hieß es, dass die Aufgabe der Kontrolle durch die Niederlande „sehr willkommen“ sei. Gleichzeitig wies die ACEA darauf hin, dass die Kontinuität der Chipversorgung kurzfristig nach wie vor kritisch sei und jeder Lieferengpass zu weiteren Produktionsstopps führen könne. Viele Mitgliedsunternehmen in Deutschland und anderen EU-Staaten hoffen nun auf schnellere und planbarere Lieferungen.
Konkrete Auswirkungen auf die deutsche Automobilproduktion
In München, Stuttgart und Wolfsburg kam es in den vergangenen Wochen immer wieder zu vorübergehenden Werksstillständen, weil Leistungshalbleiter für moderne Fahrerassistenzsysteme nicht rechtzeitig eintrafen. Die erneute Freigabe der Lieferungen könnte nun folgende Effekte auslösen:
Elmer aus München berichtet, dass in seiner Nachbarwerkstatt bereits wieder Ersatzsteuergeräte für Assistenzsysteme verbaut werden. Auch freie Werkstätten hoffen auf eine Normalisierung der Ersatzteilversorgung.
Langfristige Perspektiven und Risikominimierung
Ob die heutige Entscheidung wirklich eine neue Chip-Krise endgültig abwendet, bleibt offen. Die EU-Kommission prüft bereits weitere Maßnahmen zum Ausbau europäischer Halbleiterkapazitäten. Dazu gehören:
Erst durch diese breit angelegte Diversifikation ließen sich ähnliche Risiken in Zukunft minimieren – und die deutsche Autoindustrie wäre widerstandsfähiger gegenüber politischen Einflussnahmen auf globalen Märkten.
