Renault zieht die Reißleine: Die ambitionierten Projekte der Sparte Mobilize, die einst als Vorreiter einer neuen Ära der „Mobility beyond Automotive“ gefeiert wurden, werden nun massiv zurückgefahren oder in die Kernstrukturen des Konzerns eingegliedert. Aus Sicht eines Autobloggers in München ist das kein bloßer Rückschritt, sondern ein pragmatischer Strategiewechsel: Renault räumt ein, dass Car‑Sharing‑Modelle und kleine Elektro‑Microcars in der derzeitigen Form wirtschaftlich nicht tragfähig sind.
Was genau passiert mit Mobilize?
Mobilize wurde 2021 als Innovationsinkubator ins Leben gerufen, um neue Mobilitätsdienste, Ladeinfrastruktur und urbane Flottenlösungen zu erproben. Jetzt wird die Einheit faktisch aufgelöst: Der Markenname „Mobilize“ bleibt zwar für Finanzdienstleistungen bestehen, alles andere wird fallweise überprüft und entweder eingestellt oder in bestehende Geschäftsbereiche integriert. Konkret bedeutet das:
Warum dieser Kurswechsel?
Die Begründung ist nüchtern: mangelnde Rentabilität und geringe strategische Synergien. Car‑Sharing und Micro‑Mobility mögen gesellschaftlich spannend und im Marketing attraktiv sein, in der Praxis werfen sie aber zu wenig Gewinn ab, binden Kapazitäten und verkomplizieren die Organisation. Die Infrastrukturkosten für flächendeckende Lade‑ und Wartungsnetze sind hoch, die Margen der Dienste dagegen dünn. Renault zieht die Konsequenz: Experimente ja, aber nur wenn sie in ein belastbares Geschäftsmodell überführbar sind.
Was bleibt von Mobilize?
Trotz der Rückschritte gibt es Bereiche, die Renault weiterverfolgt und ausbaut:
Die Schattenseite: Stellenabbau und abgespeckte Pläne
Die Runderneuerung geht nicht ohne Kollateralschäden: Etwa 80 Stellen sollen wegfallen oder intern umverteilt werden. Zudem wurden ambitionierte Ausbauziele für die Ladeinfrastruktur nach unten korrigiert – Projekte in Belgien und Spanien wurden gestrichen, das ursprüngliche Ziel von 650 Mobilize‑Stationen bis 2028 wurde aufgegeben. Das ist ein Zeichen dafür, dass Renault seine Kapitalallokation strenger priorisiert und weniger riskante, näher am Kerngeschäft liegende Investitionen bevorzugt.
Welche Lehren lassen sich daraus für die Branche ziehen?
Renault ist mit seinem Vorgehen kein Einzelfall. Viele Hersteller und Mobilitätsanbieter haben sich in den vergangenen Jahren an umfassenden Sharing‑Modellen versucht – mit wechselhaftem Erfolg. Die Kernbotschaften sind:
Was bedeutet das für Kunden und Städte?
Für Endkunden heißt das zunächst: weniger neue Sharing‑Optionen von Renault in einigen Städten, dafür hoffentlich stabilere und besser integrierte Lade‑angebote. Städte, die auf Micro‑Mobility‑Strategien gesetzt hatten, müssen ihre Pläne neu bewerten und andere Partner ins Boot holen. Der Hype um „freie Innenstädte“ durch Car‑Sharing hat sich an der wirtschaftlichen Realität die Zähne ausgebissen – zumindest in der bisher gedachten Form.
Wie reagiert Renault strategisch weiter?
Renault kündigt einen klareren Fokus auf Elektrifizierung, Energiedienstleistungen und digitale Plattformen an. Der neue strategische Plan, der im ersten Quartal 2026 vorgestellt werden soll, wird zeigen, ob Renault eine neu gestrickte Mobilitätsvision präsentiert oder sich stärker auf traditionelle Automobilumsätze konzentriert. Erwartbar ist ein Modell, das weniger auf einzelne Markt‑Experimente und mehr auf skalierbare, integrierte Lösungen setzt.
Fazit für Leser in München und Umgebung
Als begeisterter Fahrer in Bayern beobachte ich diesen Pragmatismus mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist es enttäuschend, wenn kreative Mobilitätsideen scheitern; andererseits ist es vernünftig, Ressourcen nicht in verlustreiche Nischen zu binden. Für unsere Region gilt: Wir brauchen sowohl starke Ladeinfrastruktur als auch realistische Mobilitätsangebote. Renaults Kurskorrektur könnte letztlich dazu führen, dass mehr Engagement in ausbaufähige Bereiche wie V2G‑Anwendungen und integrierte Serviceplattformen fließt – und das würde allen Elektrofahrern, auch hier in München, mehr nutzen als gut gemeinte, aber instabile Sharing‑Experimente.
