Erinnern Sie sich an die Anfänge der Sprachsteuerung in Smartphones, als man per Befehl einen Wecker stellte, die Suche in Google startete oder sich eine Route ansagen ließ? Was damals für manche noch fremd wirkte, ist heute Alltag – und bald schon ebenso im Auto. Im Forschungszentrum von Bosch in Renningen bei Stuttgart konnte ich erleben, wie das System „Drive by Voice“ funktioniert: Statt zu lenken, zu bremsen oder zu beschleunigen, spricht der Fahrer mit dem Auto – es hört zu, versteht und führt aus.
Kein autonomes Fahren, sondern sprachgesteuerte Assistenz
Im Gegensatz zum vollständig autonomen Fahren, bei dem das Fahrzeug selbstständig durch den Verkehr navigiert, unterstützt „Drive by Voice“ den Fahrer bei spezifischen Manövern. Bosch plant, die Technologie bereits 2026 an Automobilhersteller zu liefern. Unterstützt durch neuronale Netze und künstliche Intelligenz, übersetzt das System einfache Sprachbefehle in Aktionen:
Dabei bleibt der Fahrer jederzeit für die Gesamtüberwachung zuständig – der Assistent ersetzt nicht, sondern ergänzt.
Live-Demonstration im Volkswagen ID. Buzz
In Renningen stieg ich nicht etwa am Steuer, sondern auf der Rückbank eines modifizierten ID. Buzz Platz. Auf einem abgegrenzten Testgelände gaben die Bosch-Techniker Befehle per Mikrofon und überprüften auf einem Monitor sofort, ob das Auto richtig reagierte. Anfangs stockte die Ausführung leicht, doch binnen weniger Minuten wurden die Manöver präziser.
Später testeten wir das System auf engen Straßen rund um das Forschungszentrum. Eine Gegenverkehrssituation in einer schmalen Gasse bewältigte das Fahrzeug perfekt: Es erkannte das Hindernis, stoppte und ließ das entgegenkommende Auto passieren – alles ohne Aufforderung. Ein eindrucksvoller Beweis für die Sicherheitstechnik, die jeder Befehlsausführung zugrunde liegt.
Technische Basis: Multilayer-KI und Umfelderfassung
Hinter „Drive by Voice“ steht eine mehrschichtige KI-Architektur:
Parallel wertet das System 15 Mal pro Sekunde Kamerabilder und Radardaten aus. Eine herannahende Person am Straßenrand, ein geparkter LKW oder ein Hund auf dem Gehweg werden frühzeitig erkannt, das Tempo angepasst und im Notfall sicher abgebremst.
Sichtbare und hörbare Rückmeldung
Entscheidend für das Vertrauen des Fahrers ist die Kommunikation: Das Auto kommentiert per Sprachassistent jeden Schritt. Zum Beispiel wird angekündigt, dass es gleich vor der Kreuzung abbremsen oder einen Schlenker fahren wird. Diese Transparenz mindert Unsicherheit und macht die Technik nachvollziehbar.
Sprachsteuerung als universelle Schnittstelle
Aktuell erfolgt der Dialog über das gewohnte Infotainment-Mikrofon, das bislang Klima oder Musikwiedergabe steuert. Künftig soll das System sogar Blick- und Kopfbewegungen interpretieren – ein Kopfnicken nach links könnte reichen, um anzuzeigen, dass der Fahrer die nächste Abzweigung nehmen möchte.
Außerdem lernt die KI, sich dem Fahrstil anzupassen: Wer es eilig hat, kann per „Ich muss pünktlich sein“ ein höheres Tempo anfordern (natürlich innerhalb gesetzlicher Grenzen). Umgekehrt sorgt der Befehl „Ich möchte die Landschaft genießen“ für eine entspanntere Fahrweise mit sanften Brems- und Beschleunigungsmanövern.
Ausblick: Vom Kommando per Sprachbefehl zur natürlichen Interaktion
Die Bosch-Techniker betonen, dass „Drive by Voice“ nur die oberflächliche Schicht eines komplexen Systems ist. Künftig wird das Auto nicht nur Befehle ausführen, sondern proaktiv Vorschläge machen können – etwa: „Sie nähern sich einer Schule. Möchten Sie die Geschwindigkeit reduzieren?“
Für Verkehrszentralisten, Pendler und Vielfahrer aus München und Umgebung bedeutet das: Die nächste Generation von Assistenzsystemen wird intuitive, flexible und sichere Sprachinteraktion bieten. Wer ab 2026 ein entsprechendes Fahrzeug fährt, kann dann im Stau die Hände am Steuer lassen, den Kopf freihaben und doch volle Kontrolle behalten – gesprochen statt gelenkt.
