400 Neueinstellungen und Zweischichtbetrieb bei Stellantis Mirafiori
Am 20. Oktober 2025 kündigte Antonio Filosa, CEO von Stellantis, bei einem Treffen mit den Gewerkschaften in Turin eine entscheidende Produktionsausweitung am historischen Standort Mirafiori an. Ab Februar 2026 soll in den Werkshallen ein zweiter Schichtbetrieb starten und 400 neue Mitarbeiter eingestellt werden. Diese Maßnahme zielt darauf ab, die Fertigungskapazitäten für die Fiat 500 Hybrid-Modelle zu erhöhen und die lokale Wertschöpfungskette zu stärken.
Fokus auf die Fiat 500 Hybrid-Produktion
Die Fiat 500 Hybrid ist das Aushängeschild von Stellantis im Segment der kompakten Elektro-Hybride. Filosa unterstrich:
- Erhöhung der Produktionskapazität in Mirafiori um 30 %
- Einführung eines zweiten Schichtsystems zur Verkürzung der Lieferzeiten
- Optimierung der Montagelinien für batteriebetriebene Antriebe und Thermomanagement
- Strikte Einhaltung von Qualitätsstandards durch zusätzliche Schulungsprogramme für die neuen Fachkräfte
Mit diesem Ausbau reagiert Stellantis auf die steigende Nachfrage nach bezahlbaren und effizienten Hybridautos in Europa.
EU-Emissionsvorschriften: Filosas Aufruf zur Flexibilität
Neben den Personalentscheidungen legte Filosa den Finger in eine offene Wunde: Er forderte eine Revision der aktuellen EU-CO₂-Ziele. Insbesondere kritisierte er die Vorgabe, die Flottenemissionen bis 2030 um 55 % zu reduzieren und den Verkauf neuer Verbrennerfahrzeuge ab 2035 zu verbieten. Seiner Ansicht nach:
- Berücksichtigen die Vorgaben nicht die infrastrukturellen Unterschiede zwischen Mitgliedsstaaten.
- Die Umstellung auf reine E-Modelle ohne ausreichende Ladeinfrastruktur könnte Produktionsstandorte schwächen.
- Ein pragmatischer Ansatz, der nationale Besonderheiten einbezieht, sei notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Filosa plädierte für einen „realistischen Dialog“ mit Brüssel, um die Industrie nicht zu überfordern und gleichzeitig die Klimaziele nicht aus den Augen zu verlieren.
Plan Italia: Jeep Compass, DS N°7, Lancia Gamma & Gigafactory Termoli
Im Rahmen des „Piano Italia“ setzt Stellantis mehrere strategische Projekte um:
- Melfi: Start der Jeep Compass-Produktion noch in diesem Jahr.
- 2026: Markteinführung von DS N°7 und dem neuen Lancia Gamma als Kernmodelle für den Premiumbereich.
- Termoli: Geplante Gigafactory zur Batterieproduktion, deren Genehmigung und konkrete Investitionssumme aktuell noch ausstehen.
Die neue Schicht bei Mirafiori und der Ausbau der Kapazitäten in Melfi sollen eine Effizienzsteigerung von bis zu 25 % ermöglichen und für eine Entlastung der bestehenden Standorte sorgen.
Dialog mit Gewerkschaften und Stakeholdern
Ein zentrales Element der Erklärung Filosas war die Einbindung aller Beteiligten:
- Regelmäßige Verhandlungsrunden mit den Gewerkschaften zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen.
- Enge Abstimmung mit der Regierung, um EU-Positionen zur Industriepolitik abzustimmen.
- Kooperation mit lokalen Zulieferern, um die Wertschöpfungskette in Italien zu stärken.
- Einbindung von Forschungseinrichtungen für grüne Technologien, um Innovationen bei E-Antrieben und Batterietechnik voranzutreiben.
Diese Mehrparteienstrategie soll gewährleisten, dass der angestrebte Wachstumskurs nicht zulasten der Belegschaft und der regionalen Wirtschaft geht.
Analytischer Blick: Zwischen Klimazielen und Industrieinteressen
Die Forderung nach Nachbesserungen der EU-Emissionsvorgaben trifft mitten in einen globalen Spannungsbogen:
- Umweltpolitische Dringlichkeit: Europa bleibt Vorreiter beim Klimaschutz, doch die ambitionierten Ziele stellen Autohersteller vor enorme Herausforderungen.
- Wirtschaftliche Realitäten: In vielen Regionen fehlt es noch an Schnellladeinfrastruktur und preisgünstigen E-Modellen.
- Arbeitsmarktfragen: Besonders in traditionellen Fertigungszentren wie Turin oder Melfi hängt die Existenz vieler Familien am Automobilsektor.
- Wettbewerbsfähigkeit: China und die USA treiben massiv in E-Mobilität und Batterieproduktion voran – Europa darf nicht den Anschluss verlieren.
Stellantis versucht, hier einen Balanceakt zu meistern: einerseits die ökologische Transformation zu unterstützen, andererseits die Wettbewerbsfähigkeit und soziale Stabilität in Italien zu sichern.
Ausblick: Nachhaltige Mobilität und politische Rahmenbedingungen
Obwohl das endgültige EU-Mandat zur CO₂-Reduktion und zum Verbrenner-Verkauf 2035 noch nicht verabschiedet ist, hat Stellantis den Diskurs nachhaltig geprägt. Die Reaktionen aus Brüssel und nationalen Regierungen werden zeigen, ob ein Kompromiss zwischen strikten Umweltschutzauflagen und wirtschaftlicher Lebensfähigkeit möglich ist. Für deutsche Leser in Bayern und ganz Europa bleibt spannend, wie sich diese Verhandlungen auf die Modelle und Preise in den kommenden Jahren auswirken werden.