Was steckt hinter dem Phantombraking-Problem bei Tesla?
In den vergangenen Monaten häuften sich Berichte von Tesla-Fahrern, die von plötzlichen Bremsmanövern ohne erkennbaren Grund auf der Autobahn oder in der Stadt überrascht wurden. Dieser als „Phantombraking“ (Geisterbremse) bekannte Effekt tritt auf, wenn das Assistenzsystem – insbesondere der Autopilot oder der Notbremsassistent – vermeintlich ein Hindernis erkennt und eine Vollbremsung einleitet. In den betroffenen Fällen gab es weder Fahrzeuge noch feste Hindernisse vor dem Tesla, sodass viele Fahrer von einem Sensorfehler oder einer fehlerhaften Software-Interpretation ausgehen.
Die Class Action in Australien: Anspruch und Klagepunkte
Wegen dieses Sicherheitsrisikos haben in Australien mehrere Tesla-Besitzer eine Sammelklage (Class Action) eingereicht. Die wichtigsten Forderungen lauten:
Die Klage stützt sich auf rund 20 dokumentierte Vorfälle in New South Wales und Queensland, bei denen teils gefährliche Notbremsungen im fließenden Verkehr zu Beinahe-Unfällen führten.
Dokumentierte Vorfälle im Überblick
Die Klägerseite hat exemplarisch einige Ereignisse aufgelistet:
- Auf der M1 bei Sydney plötzliches Bremsen von 100 km/h auf 40 km/h, ein transportierter Motorradtransporter musste scharf ausweichen.
- In Melbourne auf der CityLink ein abruptes Abbremsen im dichten Stadtverkehr – mehrere nachfolgende Fahrzeuge klemmten fast in die Stoßstange.
- Auf einer Landstraße in Queensland bei leichtem Nieselregen aktivierte sich der Notbremsassistent, obwohl keine gelbe Linie oder Fahrbahnmarkierung als Hindernis erkannt werden konnte.
In allen Fällen reagierten die radarbasierten Sensoren und die Kamerasysteme der Tesla-Fahrzeuge fälschlicherweise auf Umgebungsobjekte wie Brückenunterführungen oder meterhohe Straßenschilder.
Technische Analyse: Warum entstehen Geisterbremsungen?
Technische Experten führen das Phantombraking auf die komplexe Sensorfusion moderner Assistenzsysteme zurück:
- Radar-Reflexionen: Bei nasser Fahrbahn oder Baustellenabsperrungen können Radarsignale zurückgeworfen werden, sodass ein nicht vorhandenes Hindernis detektiert wird.
- Kamerafehlinterpretationen: Hochauflösende Kameras können Straßenschilder, Brückenteile oder gar Schatten für physische Objekte interpretieren und so einen Bremsvorgang auslösen.
- Software-Logik: Die automatischen Notbremssysteme arbeiten mit Schwellenwerten, die in Grenzsituationen überschritten werden. Ein zu defensives Sicherheitsprofil kann zu Überreaktionen führen.
- Dynamische Umweltfaktoren: Regen, blendendes Sonnenlicht oder stark reflektierende Oberflächen erhöhen die Fehlerquote der Sensorik.
Reaktionen von Tesla und behördliche Schritte
Nach Bekanntwerden der Sammelklage in Australien äußerte sich Tesla offiziell knapp: Ein Sprecher versicherte, man nehme „jegliche Sicherheitsberichte ernst“ und untersuche die Vorfälle gemeinsam mit den betroffenen Fahrzeugbesitzern. Praktische Maßnahmen seitens Tesla:
Die australischen Verkehrsbehörden haben bereits eine formelle Untersuchung eingeleitet und prüfen, ob Tesla gegen nationale Sicherheitsvorschriften verstoßen hat. Insidern zufolge drohen dem US-Hersteller Bußgelder oder gar eine verpflichtende Rückrufaktion.
Auswirkungen auf die Autopilot-Zukunft
Der Phantombraking-Skandal trifft Tesla in einer Phase, in der das Unternehmen massiv in die Weiterentwicklung des Full Self-Driving (FSD) investiert. Folgeaspekte:
- Vertrauensverlust: Kunden werden misstrauischer, wenn Autos plötzlich ohne erkennbaren Grund hart abbremsen.
- Regulatorische Hürden: Behörden weltweit könnten die Zulassung von automatisierten Fahrfunktionen verschärfen.
- Wettbewerbsvorteil der Konkurrenz: Hersteller mit stabiler reparierter Sensorfusion können Marktanteile gewinnen.
Praktische Tipps für Tesla-Besitzer in Deutschland
Bis eine endgültige Lösung durch Tesla oder die Justiz gefunden ist, sollten betroffene Fahrer folgende Vorsichtsmaßnahmen ergreifen:
- Software-Updates zeitnah installieren: Neue Versionen enthalten oft Justierungen der Notbremssysteme.
- Assistenzsysteme manuell deaktivieren: Bei starkem Regen, Schneefall oder schlechten Sichtverhältnissen den Notbremsassistenten ausschalten.
- Aufmerksame Fahrweise beibehalten: Nicht in falscher Sicherheit wegen Autopilot setzen, Hände am Lenkrad und Blick auf die Straße!
- Genaues Dokumentieren: Bei einem Vorfall Fotos, Videos und Fahrzeugdaten sichern, um möglichen Rechtsansprüchen Nachdruck zu verleihen.
Für alle Tesla-Enthusiasten in Bayern und darüber hinaus gilt: Höchste Achtsamkeit im Straßenverkehr und ein kritischer Blick auf die immer komplexer werdenden Assistenzfunktionen sind unerlässlich.