Die Renaissance einer verschollenen Ikone
Im Mai 2025 entdeckte ein aufmerksamer Besitzer eines Vintage-Autos in Astoria, Oregon, ein wahres Schätzchen: eine 1972er Alfa Romeo Montreal, jahrelang unbemerkt in einem Heuschober abgestellt. Dieses Coupé, das zwischen 1970 und 1977 nur rund 3.900-mal gebaut wurde, galt lange Zeit als Geheimtipp unter Sammlern. Nun steht es bei Craigslist für 60.000 US-Dollar (etwa 55.300 Euro) zum Verkauf und wartet auf eine zweite Blütezeit in einer Werkstatt – vielleicht sogar hierzulande in Bayern.
Design und Historie der Montreal
Die Montreal wurde erstmals 1970 auf der Expo 70 in Osaka präsentiert und beeindruckte sofort durch ihr scharfes, niedriges Profil. Hauptverantwortlich fürs Design war Marcello Gandini bei Bertone, der mit der Miura schon einen Meilenstein gesetzt hatte. Die Montgomery-Kupplung von damals sorgte für:
- Ein athletisch gestrecktes Coupé-Design mit schräge Flanken;
- Teilversenkbare Frontscheinwerfer, die dem Wagen einen futuristischen Touch verliehen;
- Markante Lufteinlässe in der Motorhaube und großflächige Heckfenster.
Obwohl die Montreal ein ausgeklügeltes Konzept als „Technologie-Showcar“ hatte, wurden die Serienversionen weitgehend unverändert übernommen. Doch trotz beeindruckender Technik blieb der große kommerzielle Erfolg aus – die Produktionszahl von knapp 3.900 Exemplaren zeugt von großer Exklusivität.
Technische Daten und Motor-Charakter
Unter der Motorhaube schlägt das Herz der Montreal: ein 2,0-Liter-V8 mit zwei obenliegenden Nockenwellen, ursprünglich abgeleitet aus dem Rennmotoren-Programm von Alfa Romeo. Wesentliche Merkmale:
- Leistung: offiziell 200 PS bei 6.800 U/min;
- Drehmoment: rund 179 Nm bei 5.500 U/min;
- Getriebe: präzises, manuelles 5-Gang-Getriebe;
- Gewicht: ca. 1.200 kg Trockenmasse, dank zahlreicher Aluminium- und Kunststoffkomponenten.
Der V8 besticht durch sein sofortiges Ansprechverhalten, die hochdrehende Charakteristik und das unverkennbare Schnurren, das jedem Alfa-Fan das Herz höherschlagen lässt. In Kombination mit dem leichten Chassis ergeben sich beeindruckende Fahrleistungen – Werte, die auch heute noch begeistern.
Der Fund im Heuschober: Zustand und Besonderheiten
Der aktuelle Besitzer entdeckte die Montreal hinter Heuballen und alten Traktoren. Der Wagen war weitgehend intakt, aber von folgenden Mängeln gezeichnet:
- Lackschäden: mattes, rissiges Originalpolychromol, stellenweise Rostansatz;
- Felgen: keine Original-Campagnolo-Räder, sondern moderne Nachbauten;
- Interieur: Sitze, Teppich und Türverkleidungen verschmutzt, aber vollständig;
- Motor: laut Verkäufer bereits überholt und wieder fahrbereit.
Die Kombination aus patinierter Optik und solider Technik macht diese Montreal zu einer perfekten Basis für Enthusiasten, die einen ganz individuellen Restaurationsweg gehen möchten – sei es eine originale Konservierung („Sympathetic Restoration“) oder eine moderne Auffrischung mit zeitgenössischer Technik.
Potenzial für Restaurierung und Werterhalt
Wer sich eine Montreal zulegen möchte, sollte folgende Arbeitsschritte und Kosten einplanen:
- Karosseriearbeit: partielles Behandeln von Oberflächenrost, gezielte Lackausbesserung oder Komplettlackierung;
- Felgen und Bereifung: Rückbau auf originale Campagnolo-Leichtmetallräder mit periodenkorrekten Reifen;
- Interieurarbeiten: Neubezug der Recaro-ähnlichen Sportsitze, Austausch abriebgeschädigter Teppiche;
- Mechanik-Check: Erneuerung aller Flüssigkeiten, Bremsleitungen, Kühlsystem und Kraftstoffschläuche zur Sicherheit;
- Elektrik: Überprüfung und ggf. Austausch der Zündkomponenten, Lichtanlage und Instrumente.
Mit einem budgetierten Investitionsrahmen von 40.000 bis 60.000 Euro lässt sich ein hochklassiges Ergebnis erzielen, das den Marktwert der Montreal in den nächsten Jahren deutlich steigen lassen kann. Aktuelle Auktionsergebnisse und der Hype um junge italienische Klassiker versprechen eine attraktive Wertentwicklung.
Vergleich mit anderen Youngtimern
In der Youngtimer-Szene stehen der Alfa Romeo Montreal einige Konkurrenzmodelle gegenüber. Ein Blick auf vergleichbare Fahrzeuge:
- Lamborghini Urraco: 2+2-Sitzer mit V8, ähnliche Stückzahlen, aber weniger elegant;
- Ferrari 308 GT4: Bertone-Design mit V8, heute ebenfalls gesucht, aber teurer in der Anschaffung;
- Maserati Merak: heckgetriebener V6-Sportwagen, seltener, aber schwächer im Markt;
- Porsche 924/944: „deutsche Lösung“ mit Vierzylinder und Frontmotor, preisgünstiger, technisch einfacher.
Die Montreal vereint italienisches Design, Motorsport-DNA und Exklusivität – Eigenschaften, die sie in der Riege der Youngtimer besonders hervorstechen lassen.
Tipps für Kaufinteressenten
Bevor Sie zuschlagen, hier einige praktische Ratschläge:
- Besichtigung vor Ort: Achten Sie auf die Struktur von Schweller und Radkästen; Durchrostungen erkennen Sie meist erst bei genauer Prüfung.
- Probefahrt: Hören Sie auf unregelmäßige Ventilgeräusche am V8 und prüfen Sie das Schaltverhalten im kalten wie im warmen Zustand.
- Dokumentation: Nachbau-Ersatzteile können den Wert mindern. Originalität dokumentieren lassen und alte Rechnungskopien anfordern.
- Stückzahlkontrolle: Zahlen von 3.900 Exemplaren weltweit ermöglichen eine gute Vergleichsbasis. Nutzen Sie Ferrari- und Alfa-Register.
- Expertenrat: Konsultieren Sie Restaurationsprofis und Clubs wie den „Alfa Romeo Owners Club“, um versteckte Mängel aufzudecken.
Mit diesen Hinweisen wird der Traum einer eigenen Alfa Romeo Montreal greifbar – sei es als verspielte Youngtimer-Sammlung auf Münchens Straßen oder als langfristige Wertanlage in der Automobil-Kultur.