KI-Schock in Mailand: So verhindert ein Algorithmus 80.000 riskante Bremsmanöver – deutsche Städte staunen

Sensordaten, neuronale Netze und künstliche Intelligenz (KI) verändern die urbane Mobilität in Mailand grundlegend. Der erste Bericht des Think Tanks The Urban Mobility Council, präsentiert im Politecnico di Milano, zeigt, wie neue Technologien die Verkehrssicherheit erhöhen und die Lebensqualität in Städten verbessern können. Das MIT Senseable City Lab leistet dabei Pionierarbeit und untersucht, welche Rolle Datenanalyse und Stadtplanung in diesem Wandel spielen.

RoadSafeAI: Prädiktives System zur Unfallvermeidung

RoadSafeAI ist eine von UnipolTech und dem Politecnico di Milano entwickelte KI-Lösung, die echte Straßenszenen in Echtzeit bewertet. Hauptmerkmale:

  • Convolutional Neural Networks: Analyse von Straßenbildern zur Erkennung von Gefahrenfenstern.
  • Telematik-Datenverknüpfung: Kombination von GPS-, Beschleunigungs- und Bremsdaten.
  • Risikoscore (0–10): Automatische Einstufung von Straßenabschnitten nach Unfallwahrscheinlichkeit.
  • Hohe Genauigkeit: Über 95 % Treffergenauigkeit, auch in bislang ungetesteten Gebieten.

Im letzten Jahr ermittelte RoadSafeAI in einem 25 km² großen Testgebiet in Mailand über 80.000 abrupte Bremsmanöver. Diese Daten helfen Kommunen, Unfallschwerpunkte zu identifizieren und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, noch ehe es zu schweren Kollisionen kommt.

Architektur versus Verkehrszeichen: Erkenntnisse des MIT Senseable City Lab

Eine Studie unter Leitung von Carlo Ratti kommt zu überraschenden Ergebnissen:

  • Eng gepflasterte Altstadtstraßen: Autofahrer reduzieren spürbar die Geschwindigkeit, ohne zusätzlichen Schilderwald.
  • Weitläufige Boulevards: Auch bei gültigen Tempolimits steigt die Durchschnittsgeschwindigkeit deutlich an.
  • Auswirkungen auf Fahrverhalten: Physische Enge erzwingt vorsichtigeres Fahren und senkt Unfallrisiken.

Diese Forschung widerspricht der gängigen Annahme, allein Verkehrszeichen könnten sicherheitsrelevantes Verhalten steuern. Stattdessen wird deutlich, dass Stadtplanung und Straßengestaltung starke Impulse setzen.

Italiens Verkehrssicherheit heute: Zahlen und Fakten

Obwohl Innovationen vielversprechend sind, steht Italien vor erheblichen Herausforderungen:

  • Unfallstatistik 2023: Mehr als 3.000 Todesopfer und 224.000 Verletzte auf Straßen.
  • Städtische Unfälle: 73,3 % aller Verkehrsunfälle ereignen sich im urbanen Raum.
  • Öffentlicher Nahverkehr: Nur knapp unter 8 % aller Wege werden per Bus, Tram oder Bahn zurückgelegt.
  • Alte Fahrzeugflotte: Ein Viertel aller Fahrzeuge ist über 20 Jahre alt; Elektroautos machen lediglich 0,7 % aus.

Diese Daten unterstreichen den Nachholbedarf bei Infrastruktur, Mobilitätsangeboten und Flottenerneuerung, um die Zahl der Unfälle zu reduzieren.

Datengetriebene Planung und Simulation

Mithilfe von KI-Modellen lassen sich Infrastrukturänderungen virtuell testen, bevor sie real umgesetzt werden. So können Planer:

  • Risiko-Heatmaps erstellen: Visualisierung von Gefahrenzonen basierend auf RoadSafeAI-Daten.
  • Fahrverhalten simulieren: Auswirkungen enger Kurven oder neuer Spuren auf Durchschnittsgeschwindigkeit und Unfallhäufigkeit.
  • Advisor-Tools entwickeln: Empfehlungen für Tempo-30-Zonen, Kreuzungsumbauten oder neue Fußgängerquerungen.

Solche Simulationen sparen Zeit und Kosten, da teure Pilotprojekte auf der Straße minimiert werden können.

Empfehlungen für Kommunen und Politik

Aus den Erkenntnissen ergeben sich konkrete Handlungsschritte:

  • Telematik-Kooperation: Städte sollten Partnerschaften mit Versicherungen und Forschungseinrichtungen eingehen, um Datenflüsse zu sichern.
  • Integrierte Mobilitätsplattformen: Zusammenführung von Bus-, Bahn- und Carsharing-Informationen in einer App für Fahrscheine und Echtzeit-Hinweise.
  • Städtische Gestaltungsrichtlinien: Standard für Straßengeometrie, der automatisch Geschwindigkeitsverhalten beeinflusst.
  • Stakeholder-Dialog: Regelmäßiger Austausch zwischen Stadtplanung, Verkehrspolizei, Industriepartnern und Zivilgesellschaft.

Enrico San Pietro von Unipol betont: „Telematik-Daten sind eine wertvolle Ressource für gezielte Sicherheitsinterventionen.“ Stefano Genovese, Koordinator des Urban Mobility Council, sieht die Zukunft in einem Mix aus dekarbonisierter Mobilität, datenbasierten Tools und bürgernahen Lösungen, die Stadtentwicklung und Verkehrssicherheit vereinen.

Elmer